Content-Delivery-Portale, ontologiebasierte Wissensnetze, Augmented & Virtual Reality innerhalb der Technikkommunikation hinterlassen inzwischen keine allzu grossen Fragezeichen mehr. Jeder hat diese Begriffe mindestens einmal gehört, wenn nicht sogar bereits umgesetzt oder beschäftigt sich momentan mit dem Gedanken, die Art der Informationsvermittlung innerhalb und ausserhalb des Unternehmens auf ein neues Level anzuheben. Weichen Print-Doku und PDF als Publikationsformate bald den neuen Technologien und machen sich startklar für die Pension?
Klar auf der Hand liegt: Industrie 4.0 legt den Fokus stark auf zukunftsträchtige, flexible und automatisierte Lösungen. Information 4.0 begleitet Technische Redakteurinnen auf einem neuen Weg hin zu Lösungen der Informationsvermittlung, die Nutzerinnen in erster Linie mehr Flexibilität und vor allem schnelle Zugänglichkeit zu relevanten Informationen bieten sollen. Das Content-Delivery-Portal z.B., das es mithilfe von gezielter Metadatenvergabe und Filterung schafft, massgeschneiderte Informationen auf dem Silbertablett zu präsentieren, ist eine dieser Lösungen. Diesem Portal liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Zeiten vorbei sind, in denen die Dokumentation von vorne bis hinten einmal komplett durchgelesen wurde und als Nachtlektüre neben dem Bett lag. Kommt Ihnen fremd und in gewisser Weise auch absurd vor? Macht in der Realität auch niemand so. Durch ein Verknüpfen von verwandten Informationensschnipseln im Content-Delivery-Portal werden mir direkt auch Themen angezeigt, die ebenfalls von Interesse sein könnten. Ontologien, die im Hintergrund ihre Fäden spinnen, stellen ein komplexes Wissensnetz dar und können das Portal und somit die Nutzerseite in dieser Hinsicht unterstützen.
Noch abenteuerlicher wird es, bringt man Augmented und/oder Virtual Reality ins Spiel. Je nachdem, wo die eigenen Präferenzen liegen, kann man sich zwischen einer erweiterten Realität oder dem Vollprogramm an Virtualität entscheiden. Bleiben wir zunächst bei der ‘erweiterten Realität’:
Apps auf dem Smartphone ermöglichen es, eine Umgebung zu scannen und diese um neue virtuelle Elemente zu erweitern, beispielsweise um simulierte Arbeitsschritte, die zum Wechseln einer Autobatterie notwendig sind oder um eingeblendete Rahmen zum Veranschaulichen relevanter Teile sowie erforderliche Schraubbewegungen inkl. korrekter Drehrichtung. Und in der virtuellen Realität kann ich sogar direkt ein paar Trockenübungen bei der Reparatur der Produktionsanlage durchführen, noch bevor ich einen wirtschaftlichen Totalschaden durch eine Fehlbedienung verursache. Na, wenn das mal nicht nahezu alle Altersgruppen catchen sollte.
Die Technik ist da – doch nicht alle nutzen sie. Aber vermutlich ist es lediglich eine Frage der Zeit, bis alle auf den Geschmack gekommen sind und das nötige Kleingeld für die Umstellung zusammengekratzt haben. Oder? PDF und Print-Doku scheinen ohnehin bereits jetzt obsolet zu sein. Kann man die beiden einfach so einstampfen? Oder erfüllen Sie dennoch einen Zweck und eine Koexistenz mit neuen Technologien ist weiterhin sinnvoll? Wirklich interessant wäre doch hier auch die Frage, ob es vorstellbar wäre, dass die DIN EN ISO 12100 den Absatz streicht, in der die Pflicht zum Beilegen einer gedruckten Dokumentation bei sicherheitsrelevanten Informationen festgelegt ist. Was ist mit wichtigen Inhalten, die bereits vor und während der Inbetriebnahme gelesen werden müssen? Wie stelle ich sicher, dass Nutzer*innen diese sicherheitsrelevanten Passagen auch tatsächlich verinnerlicht haben, noch bevor etwas Lebensbedrohliches passieren könnte? Und garantiert dies tatsächlich das gedruckte Stück Papier, das beigelegt wurde? Wie wird sich die Zukunftsmusik konkret anhören?