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Im Corona-Home-Office – Problem oder Privileg? 

, Carina Ströhlein

Gelegentliches oder sogar dauerhaftes Remote Working war lange Zeit nur wenigen vorbehalten, sofern sich das Jobprofil für ortunabhängiges Arbeiten eignete. Seit diesem Jahr hat sich diese Möglichkeit plötzlich für eine weitaus höhere Anzahl an Arbeitnehmenden eröffnet. Während die einen das neu gewonnene Privileg Hände klatschend feiern, scheint sich für die anderen das ohnehin längst ausgedünnte Nervenkostüm nun vollends aufzulösen und sie haben sich wider Willen in die zweite Runde der gefühlten Zwangs-Desozialisation begeben. 

Morgens um 7.45 aus dem Bett rollen, um 7.50 gibt’s den ersten Kaffee (vielleicht auch direkt wieder im Bett), gegen 7.55 noch schnell im Bad Video-Call-konform zurechtmachen und ab 8.00 mit Jogginghose in den Arbeitsalltag aus der Komfortzone heraus starten.  

Kann man sich vorstellen, dass sich ein Mensch tatsächlich aktiv gegen diese Morgenzeremonie aussprechen könnte? Das vermutlich nicht. OK – vielleicht diejenigen, denen hier 5 Minuten für den morgendlichen Kaffee zu kurz sind. Das neuartige Corona Arbeitsmodell zieht dennoch eine Kehrseite mit einigen Negativaspekten nach sich. 

Denke man nur mal an all die interessanten, informativen und vor allem zufälligen Zusammentreffen in der Kaffeeecke oder auf dem Gang, die nun entfallen.

Diejenigen, die den Sprung aus der Nikotinabhängigkeit geschafft haben und gerade dabei waren, sich an den Entzug des spannenden Raucher*innen-Tratsches zu gewöhnen, mögen hier wohl eine unerwünschte Art des Déjà-vu erleben. Anderen fällt es schwer, sich nach dem Arbeiten zuhause ‘auszustöpseln’ und befinden sich unter Dauerstrom. Ist auch zu verlockend, den HEV-Licht-strahlenden auf halb acht hängenden Laptop im Arbeitszimmer gegenüber noch einmal schnell aufzuklappen und die Mail zu bearbeiten, die eben per Push auf’s Handy geflogen kam. Die Kollaboration mit den Kolleg*innen findet rein virtuell statt. Adhoc greifbar sind nun nicht mehr alle. Benötigt man Input, muss oft erst ein gemeinsamer Termin gefunden werden, erst recht sobald mehrere beteiligt sind …  Kurzum gesagt: Es fehlt etwas. Und das ist allen klar. 

Man darf trotz alledem nicht vergessen, dass sich eine Medaille mit Kehrseite auch wieder umdrehen lässt. Was man machen kann: Sich auf die positiven Aspekte fokussieren, die das ‘New Normal’ mit sich bringt. Chancen erkennen, den Arbeitsalltag ein wenig entschleunigt zu gestalten. Die neu gewonnene Flexibilität nutzen. In dem Wissen agieren, durch den wegfallenden Arbeitsweg einen zwar kleinen, jedoch nicht unwesentlichen Beitrag zur Reduktion des CO2-Ausstosses beizutragen – das sind Dinge, die jeder selbst in der Hand hat. Und vielleicht schaffen wir es ja, die Vorzüge beider Arbeitsmodelle – präsent und virtuell – zusammenzuführen und zu leben, soweit umsetzbar. Eine kleine Portion an Selbstdisziplin, Toleranz gegenüber neuen Arbeitsweisen und nicht unwesentlich natürlich auch die Möglichkeit, Home-Office und vor-Ort-Arbeiten künftig mischen zu können, wären ideal.  

Da ungewiss ist und bleibt, wie sich die Zukunft entwickeln wird, scheint es gesund, sich diesen Optimismus-Strohhalm zu greifen. Dabei lässt sich gut Ausschau halten nach einem adäquaten Ausgleich für das, was dem persönlichen Empfinden nach derzeit zu kurz kommt. Wo aber sicherlich Einigkeit herrscht: Erst um kurz vor 8 aus dem Bett zum Laptop nebenan zu rollen, ist jetzt auch nicht so übel.

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