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Kolumne: Moderne Arbeitswelt

, Carina Ströhlein

Modernes Arbeiten, moderne Führung und ein frisches Denken – was genau macht ‘modern’ aus und was kann man sich im Berufskontext darunter vorstellen? Lebe ich selbst etwa sogar schon danach? Brauch’ ich jetzt neue Möbel? Was muss ich tun, um am Puls der Zeit zu sein und diesem Trend folgen zu können? Um Neues verstehen zu können, wirft man am besten zunächst einen Blick auf das Alte.

Rauchen in den Büros war lange gang und gäbe. Kaum vorstellbar in der heutigen Zeit, dass auf nichtrauchende Kolleginnen eher weniger geachtet wurde und einen Bürotisch weiter der provisorische Aschenbecher dauerhaft überzuquellen schien. Ich bin mir ja fast sicher, dass sich ab und an mal die Asche der eben gepafften Zigarette auf diversen Dokumenten verewigt hat und so auf Wanderschaft ging. Vermutlich hat der/die ein/e oder andere das Dampfbüro inzwischen im Dauer-Home-Office auch wieder aufleben lassen. Stört die Kolleginnen dann allerdings im virtuellen Meeting nicht mehr. Auf solch alte Marotten sei hier jetzt aber nicht unbedingt der Fokus gelegt. Vielmehr geht es im direkten Vergleich ‘alte und neue Arbeitswelt’ darum, wie sich der Mensch, die Art und Weise zu arbeiten sowie das allgemeine Mindset innerhalb ebendieser verändert hat.

Ein klassischer 8 to 5-Job, Stempeluhren zum genauen Tracking der Anwesenheit (Qualität der Arbeit erstmal egal), 100% Präsenz-PFLICHT, der Chef schaut einem permanent über die Schultern (hoffentlich spielt niemand Minesweeper anstatt produktiv zu arbeiten, wofür sie/er ja schliesslich eingestellt wurde) und stellenweise eine starke Unvereinbarkeit von Job und Familie, geschweige denn eine Integration persönlicher, wohltuender Bedürfnisse. Hört sich nicht mehr ganz zeitgemäss an? Ist es auch nicht. Wir entfernen uns immer mehr von festgefahrenen Strukturen und Rahmenbedingungen während wir uns gleichzeitig zunehmend auf Flexibilität und Vertrauen versuchen zuzubewegen. Der Versuch sei hier betont, denn nicht bei allen hat diese Entwicklung bereits Anklang gefunden. Gerade die Fraktion ‘mach ich schon immer so’ steht diesen neuen Wegen in der Arbeitsweise skeptisch gegenüber.

Dennoch scheint eine aktive Kontrolle der Arbeitnehmenden keine alltagstaugliche und gern gesehene Methode mehr im heutigen Arbeitsleben zu sein. Vertraut mir mein Arbeitgeber nicht, vertraue ich ihm auch nicht – wieso sollte ich auch? ‘Kontrolle ist besser als Vertrauen’ liegt demnach auch schon seit geraumer Zeit nicht nur im Berufskontext tief begraben. Es ist kein Geheimnis, dass sich Mitarbeitende besser entfalten können, kaum vertraut man ihnen. Selbst wenn der Blick mal für eine kurze, unwesentliche Zeit ins private Mailpostfach abschweift, fühle ich mich dennoch besser, dies sozusagen legitim zu machen als heimlich auf der Firmentoilette, um danach gestresster rauszukommen als ich reingegangen bin, denn: ich musste es ja verheimlichen.

Corona hat uns gezeigt, was plötzlich möglich ist und dass es ja doch geht. Von heute auf morgen von 100% Präsenz zu 100% Home Office. Und was ist Schlimmes passiert? Ganz genau – nichts. Die Führungskräfte waren recht schnell gezwungen, ihre Mitarbeitenden zu lassen und darauf zu vertrauen, dass die Arbeit in gleicher, wenn nicht sogar in besserer Qualität erledigt werden wird. Von vielen Seiten war zu hören ‘ich bin im Home Office viel effektiver als im Büro’ oder ‘die neu gewonnene Flexibilität ermöglicht es mir, meinen Kindern gerechter zu werden’. Klar, es gibt auch Aspekte, die für manche recht belastend waren und es immer noch sind, wie das gewohnte Socializing im Arbeitsumfeld, die face-to-face Kaffeegespräche, die spontan zustande kamen und bei denen man oft Wertvolles wieder mitnehmen konnte sowie die stellenweise Zusatzbelastung durch additive Kinderbetreuung, da die Schulen geschlossen waren. Diese Umstellung ist krass – eindeutig. Ein Umschwung bringt immer erst einmal etwas Chaos mit sich. Hat man sich dann aber nach geraumer Zeit neu organisiert, was unabdinglich gewesen ist, fallen nach und nach die positiven Nebenprodukte der Pandemie auf: Hohe Flexibilität, weniger Kontrolle, mehr Vertrauen, Unabhängigkeit, verminderter Stress und gesunkener CO2-Ausstoss bzgl. wegfallendem Anfahrtsweg, allgemeine ausgeglichenere Work-Life-Balance, und und und…

Abgesehen von den pandemischen Auswirkungen in der heutigen Arbeitswelt fällt auch auf, dass sich das Mindset der Menschen zunehmend verändert. Wo früher die Mentalität einer Zero-Fehlertolleranz vorherrschte, wächst inzwischen der Trend, eigene Schwächen öffentlich aufzuzeigen. Vor allem Führungskräfte kommunizieren endlich offen, welche Fehler sie in der Vergangenheit einräumen mussten und beichten ebenso ihre Ängste/Sorgen, die sie begleiten. Als Schwäche kann man dies allemal NICHT bezeichnen. Genau das braucht es in der heutigen Zeit, um die Mitarbeitenden durch die offensichtliche Authentizität und Ehrlichkeit zu motivieren. Diese Art der Offenheit senkt bei den Mitarbeitenden die eigene Erwartungshaltung, alles perfekt abliefern zu müssen und kann somit massgeblich psychischen Krankheitsfolgen wie bspw. Burn-Out vorbeugen. Vorleben statt stupide nach Schema F führen – ein Führungsverhalten, das doch stark imponiert!

Stellt sich bloss die Frage: Wieso hinterfragen wir so etwas erst jetzt? Wäre es für alle nicht viel einfacher gewesen, wäre man vor etwa 50 Jahren bereits so authentisch und offen gewesen, wohin der heutige Trend sich hinzubewegen scheint? Und es wird sich weiterhin noch einiges verändern…